.berlin-Domain – Vorteile, Nachteile, wo kaufen?

Berlin hat sich verkauft. Zumindest seinen Namen.

Seit März 2014 gibt es die neue .berlin-Domain – neben hunderten weiteren neuen Top-Level-Domains. Ich habe mir den Fall .berlin einmal angeschaut und versucht für mich selbst eine Position zu den Vor- und Nachteilen zu finden. Für uns als Online-Magazin mit Berlin-Schwerpunkt und mich als SEO-Zuständiger hier dürfte die Thematik ja interessant sein. Und für das ein oder andere Berliner Unternehmen sicher auch.


Das Versprechen des Registrars und Werbung der Provider ist einfach:

  • besser im Netz gefunden werden durch höhere Platzierung mit lokalem SEO
  • lokale Zugehörigkeit demonstrieren (vom Image profitieren)
  • mehr freie Domainnamen – die guten .de usw. sind ja alle weg

Fakten:

  • seit März 2014 registrierbar
  • kostet ab ca. 3,50€/Monat = 42€/Jahr
  • Berlin wird am Erfolg finanziell beteiligt

Vorteile:

  • klarer lokaler Bezug, der schon durch die Domain sichtbar wird. Auch für Suchmaschinen. Kleiner Vorteil im lokalen SEO
  • derzeit mehr freie (sinnvolle) Domains als bei .de verfügbar

Nachteile:

  • hoher Preis: .de-Domains kosten nur ca. 5€ pro Jahr — eine .berlin damit etwa das Achtfache
  • Faktor Mobile: Virtuelle Smartphone/Tablet-Tastaturen (iOS/Android) bevorzugen die klassischen .com/.net/.org/.de Domains – stadtkind.berlin ist länger und umständlicher einzugeben als stadtkind.com
  • mögliche Probleme bei Software-Unterstütung

.berlin-Domain — Warum und was bringt’s?

Warum? Das fragte ich mich schon, als ich vor Jahren von der Initiative hörte. Das Argument der Registrierungsstelle ist ja: Alle guten .de und .com und sonstwas Domains sind schon weg. Wer heute eine neue Domain sucht hat Probleme und muss sich was zusammenbasteln, auf exotische Endungen ausweichen oder Geld auf den Tisch legen. Stimmt ja auch.

.berlin wird dieses allgemeine Problem aber nicht lösen, sondern nur sehr kurzzeitig neue Möglichkeiten bieten – Schönes Berlin ist damit zu einer neuen schönen Domain für sein Lokales Blog gekommen. So wie gute Adressen in Innenstadtlage nicht endlos verfügbar sind und mit steigendem Bedarf an Wert zunehmen, ist es auch bei guten Domains. Kurze, einprägsame, bedeutungsschwere und Keywordträchtige Domains sind stets Mangelware und entsprechend schwer zu bekommen. Immer.

Im Zweifelsfall registrieren sich Domainhändler erstmal ein paar Einwort-Domains per Wörterbuchlisten, um diese bei steigender Akzeptanz und Bedarf dann mit einem satten Plus wieder zu verkaufen.

.berlin wird im lokalen SEO-Bereich einen kleinen (aber vielleicht entscheidenden) Vorteil bringen, da der Lokale Bezug durch die Endung (für Google) noch deutlicher wird. Für den Großteil der Webseitenbetreiber wird dies jedoch keine Relevanz haben.

Sinn macht es vorallem für lokale Angebote, die einen physischen Bezug haben, der vermutlich nicht so schnell umgezogen, erweitert oder in’s Internet verlegt wird. Ein Museum, Café, oder Arztpraxis zum Beispiel.

Kurzfristig Probleme kann eine solche neue Domainendung immer machen, wenn sie auf Software trifft, die sie für ungültig hält und dann den Dienst verweigert. Das können Browser, Proxies, Mailserver oder Spamfilter sein aber auch Scripte zur Überprüfung der Gültigkeit von E-Mailadressen auf Webseiten. Große Probleme erwarte ich jedoch nicht. Umlaut-Domains waren da viel problematischer. Auf eine .berlin-Email-Adresse würde ich mich vorerst jedoch nicht verlassen.

Wird sich .berlin durchsetzen? Ja.

Die Akzeptanz für viele dieser neuen Domains wird sehr lange brauchen. Punkte werden in der Werbung klassisch gerne auch mal zur Trennung und aus optischen Gründen verwendet. tv.berlin gab es schon lange vor der .berlin-Domain. Solche Konstruktionen sind in Zukunft selbst für internetaffine Menschen nicht mehr von einer Domain unterscheidbar. Die Vielzahl und Absurdität der Endungen wie .patch .mormon .fish .zip trägt dazu bei. Im Zweifelsfall wird dann eher eine klassische Domain genutzt.

Trotzdem sehe ich bei so konkretem lokalen Bezug und einem Quäntchen an SEO-Vorteil, dass sich .berlin durchsetzen wird. In 5 Jahren werden solche Domains für uns so normal sein wie andere komische Top-Level-Domains aus denen man sich schöne Namen konstruieren kann – wie .fm oder .it – .com und .de werden dadurch aber nicht weniger wichtig.

Braucht man jetzt eine .berlin? Vielleicht – meine Empfehlung

Kommt drauf an. Am meisten Sinn macht es, wenn man ein umkämpftes Keyword belegt oder einen Firmenname hat in dem auch Berlin vorkommt. Ferienwohnung in Berlin oderMesse Berlin GmbH können in den Suchergebnissen minimal von der neuen Endung profitieren.

Die Fahrschule Meier im Wedding wird wenig Vorteile spüren. Durch einen Places-Eintrag und das Impressum weiß Google bereits, dass es sich um ein Ladengeschäft handelt und kann dies bei lokaler Suche berücksichtigen.

Strebt man eine baldige Expansion an, z.B. mit einem Startup oder Franchising-Konzept würde ich sogar dringend davon abraten. Sobald man das Konzept dann skalieren will und auf weitere Gegenden ausweitet, steht man nämlich mit seiner lokalen Domain da. Ein Umzug per Weiterleitung auf eine neue Domain ist dann mit Verlust an Linkjuice verbunden.

Für deutschlandweit oder internationale Unternehmen macht es sowieso keinen Sinn. coca-cola.berlin wird nie jemand von Hand eingeben und über Suchmaschinen findet man problemlos die Niederlassung in Berlin. Google selbst hat sich google.berlin zwar registriert, wie es so schön in der Bewerbung der neuen Domain heißt – einen sinnvollen Inhalt oder Weiterleitung findet man dort jedoch nicht.

Hiermit hat dotberlin (und somit auch die Stadt) eine tolle Einnahmequelle, denn viele Unternehmen – wie auch wir – werden sich ihre .berlin-Domain schon allein sichern, damit nicht irgendein Spaßvogel oder Abzocker auf die Idee kommt und man sie sich gerichtlich erstmal wieder holen muss. Und lediglich eine Weiterleitung auf eine richtige Domain einrichten.


Voraussetzungen für die Registrierung

Es gibt Voraussetzungen für die Registrierung, die in Zusammenhang mit der Natur der Domain genannt werden – es soll ja eine Domain ganz speziell für Berliner sein und für lokale tätige Unternehmen. Eine Bedingung ist daher, dass einer der im Whois angegebenen Kontakte in Berlin ansässig sein muss, also eine gültige Postanschrift in Berlin haben muss.

Ich halte das für rein kosmetischer Natur, die leicht mit einem Proxy/Anonymisierungs-Service umgangen werden kann. Das Pendant zur Briefkastenfirma. Ich glaube nicht, dass dies irgendwie überprüft werden wird. Und was sollen sie machen, wenn ich irgendwann nach New York ziehe. Mir die Domain wegnehmen? Das dürfte rechtlich wohl nicht zulässig sein. Also egal.

Wo kaufen/registrieren?

Eine wichtige Frage, auf die ich noch keine eindeutige Antwort bzw. Empfehlung weiß. Es gilt ein Bisschen zu vergleichen und das für sich passende Angebot herauszufinden. 1&1 und Strato sind zum Beispiel aggressiv im Preis für das erste Jahr. Dort gibt es die erste .berlin-Domain im ersten Jahr umsonst, weitere Domains für 1,89€ und ab dem zweiten Jahr für 3,99€ (1und1) bzw. 3,49€ (Strato).

Hier wird also durch günstige Preise im ersten Jahr versucht, die Kunden zu locken. Langfristig ausschlaggebend ist dies aber wohl nicht. Wer plant seine Domain denn nur ein Jahr zu betreiben? Ich habe die Preise der gelisteten Registrare darum einmal auf das Jahr umgerechnet und die Lockmittel für das erste Jahr weggelassen. So entsteht wohl ein aussagekräftigerer Vergleich.

.berlin Preise

Alle Preise sind Brutto-Preise inkl. USt. von derzeit 19%, wie sie der Endverbraucher zahlt und am 30.3.2014 auf den jeweiligen Internetseiten ausgeschrieben waren:


Premium Domains noch nicht registrierbar

Wichtig aber: Beim Prüfen auf freie Domains sind mir seltsame Unregelmäßigkeiten bei 1&1 und Strato aufgefallen. Dort werden einige sehr eingängige Domains – z.B. wohnung.berlin oder restaurants.berlin – zwar als verfügbar angezeigt. Erst nach Bestellung bei 1&1 bekommt man per E-Mail Bescheid, dass die Registrierung fehlgeschlagen ist. Die Begründung:

Die Registrierung Ihrer Wunsch-Domain war leider nicht erfolgreich, weil diese im Rahmen eines Zuteilungsverfahrens von der Registrierungsstelle an einen anderen Interessenten vergeben wurde.

Von wegen an einen anderen Interessenten vergeben. Die Domain wird jedoch weiter lustig als frei angezeigt und wartet auf Bestellungen. Man hat sich also fröhlich durch den Bestellprozess geklickt, seine Address- und Bankdaten eingegeben, obwohl man angestrebte Domain gar nicht registrieren kann. Ich nenne so was mindestens dreist, wenn nicht gar wettbewerbswidrig.

Der Grund ist, dass es sich offenbar um sog. Premium Domains handelt, die noch nicht für die Registrierung freigeschaltet sind. Irgendwie ziemlich blöd, so ganz ohne Erklärung, was denn jetzt Premium ist und was nicht. Eine Liste wäre hier interessant und sehr hilfreich. Gibt es aber offiziell nicht.

Grob kann man es aber trotzdem testen. Einige Provider, wie z.B. Variomedia zeigen solche Domains als nicht frei an. Aus dieser Diskrepanz – der eine Provider sagt frei aber sie ist nicht registrierbar, der andere sagt nicht frei – denke ich, kann man derzeit zumindest darauf schließen, ob man jetzt eine solche Premium Domain gefunden hat.

Ich habe am 28.3.14 den Support von 1&1 einmal angeschrieben und um Information zu diesem ja recht komischen weil undurchsichtigen Bestellprozess gebeten. Wenn eine Antwort kommt, wird es hier stehen.


Falls ihr Anmerkungen oder weitere Ideen zum Sinn/Unsinn der neuen Domains habt, lasst es mich wissen. So kann ich den Artikel ggf. korrigieren oder ergänzen.